Senek Rosenblum

Geboren in Zychlin, Polen, am 23. Dezember 1935.

Senek war vier Jahre alt, als seine Familie ihr Haus und ihre eigene Mühle verlassen mussten. Auch in Zychlin hat man ein Ghetto für Juden eingerichtet. Und da mussten die Rosenblums nun auch hin.
Da Seneks Vater Mitglied im Judenrat war, erfuhr er bereits mehrere Wochen zuvor, dass ausgerechnet seine eigene Familie mit dem ersten Transport in das KZ Chelmno gelangen sollte, und so konnte er ein geschicktes Manöver unternehmen und das schreckliche Schicksal abwenden. In einer Nacht und Neben Aktion, mitten im eisigen polnischen Winter gelang ihnen die Flucht. Der kleine Senek, seine Mutter, seine Großmutter und der Vater machten sich auf den Weg nach Warschau. „Dort gibt es so viele Menschen, die Deutschen würden es nicht wagen, so viele umzubringen. Dort ist es sicher.“, dachte Herr Rosenblum. Wochenlang war man unterwegs. Und nur Senek und sein Vater sind in Warschau angekommen. Die beiden Frauen haben die Strapazen der Flucht nicht überlebt.

Ganz anders haben sie sich die Lage in der Hauptstadt vorgestellt. Denn sie kamen vom Regen in die Taufe. Das Ghetto war gezeichnet von Armut, Hunger und Krankheit. Durch einen glücklichen Zufall stießen sie auf Seneks Onkel, bei ihm und seiner Frau sind sie auch untergekommen. Zu Acht teilte man sich ein Zimmer. Auch hier ahnte Seneks Vater nichts Gutes, so fing er an, eine erneute Flucht zu planen. Um diese zu ermöglichen wurde er Schmuggler an der Ghettomauer. Er beschaffte dadurch nicht nur Lebensmittel, sondern auch Informationen, und pflegte mit der Zeit gute Kontakte zu den polnischen Bürgern auf der anderen Seite der Mauer. Dadurch ist ihm gelungen, eine Polin , Frau Mikulska, für sich zu gewinnen, die sich später bereit erklärt hat, den kleinen Senek bei ihrer Tochter zu verstecken, sobald die Rosenblums aus dem Ghetto geflohen sind.
Alle Kinder auf dieser Welt lieben es, Verstecken zu spielen, doch für den inzwischen siebenjährigen Senek sollte es die Hölle auf Erden werden. Man brachte ihn zu der jungen Frau namens Irka in eine kleine Wohnung. Dort hat man speziell für ihn ein Versteck im Schrank konstruiert, in dem er von nun an die meisten Stunden des Tages verbringen musste. Und nur die Erinnerung an seine Mutter hielt den Jungen beim klaren Verstand. Im Gegensatz streikte sein Körper. Aufgrund der Ermangelung an Bewegung wurde Senek krank, seine Beine versagten. Doch er hatte Glück im Unglück. Es hat sich herausgestellt, dass jemand im Haus von seiner Existenz erfahren hat. Es bestand also die Gefahr, er könne denunziert werden und daher brachte ihn sein Vater auf einen Bauernhof, wo er ihm auch das Gehen neubeigebracht hat. Später wird Senek seinem Vater für die schmerzlichen Prozeduren dankbar sein, denn er entdeckt dann, in München, seine Passion: Das Fußballspielen. Senek Rosenblum ergibt sich als wahres Talent und spielt sogar zeitweise bei TSV 1860 München.

Aber auf dem Bauernhof kann das Kind auch nicht lange verweilen, es muss eine neue Bleibe her. Senek wird bei einer Wäscherin untergebracht, im Warschauer Viertel Praha. Hier wird ihm unmenschliche Stärke abverlangt. Von nun an ist er auf sich selbst gestellt, die hässliche, hinkende Wäscherin kümmert sich nicht um ihn. In Gedanken nennt er sie „Kulawa“, was auf Polnisch soviel wie „hinkend, lahm“ bedeutet. Zu dem kommt noch, dass er nicht nur sich selbst mit Essbarem versorgen musste, sondern auch sie, damit er dort bleiben durfte. Denn Senek wusste ganz genau, er durfte nicht weg von hier, sonst würde sein Vater ihn nicht mehr finden. Also passte er sich an, ging betteln, wenn es sein musste, stahl er auch. Das Dilemma bestand jedoch darin: Es gab kaum etwas zu stehlen oder zu erbetteln – die Leute hatten ja selbst kaum etwas. Erst mit der Ankunft der Roten Armee gewann Senek eine neue Quelle. Er schlenderte von Tag zu Tag bei den russischen Soldaten herum, die ihm ab und dann etwas zu essen zusteckten. Hinzu kam noch jeden Tag die Suppenverteilung für Einheimische, die eine russische Offizierin organisierte. So verging Monat um Monat, bis schließlich der Vater kam und ihn halb verhungert in einem Torbogen sitzend fand. Senek war inzwischen neun Jahre alt.
Seit 1945 lebt Herr Rosenblum zusammen mit seiner Frau in München. 2010 ist sein Buch „Der Junge im Schrank“ auf dem Markt erschienen, in dem er das Erlebte während des Krieges detailliert beschreibt.