Salo Wolf

Geboren am 15 August 1925 in Bielsko-Biala, Polen
Salomon Wolf stammt aus einer orthodoxen jüdischen Familie, die vor dem Krieg in der Textilbranche tätig war. Herr Wolf hatte drei Brüder, die zwei ältesten waren bereits in die Arbeit in der Fabrik involviert. Als Kind träumte Salomon davon, selbst auch einmal in der Fabrik des Vaters zu arbeiten. Doch der Krieg kam ihm in die Quere.

Als der Krieg ausbricht, befindet sich die Familie Wolf auf dem Weg von Bielic nach Lublin. Dort hatte der Vater eine Filiale von seiner Fabrik und sie haben die Wohnung von dem Vertreter der Niederlassung in Lublin bekommen. Die Lage war unsicher. Nach einem halben Jahr wurde klar, dass man aus diesem deutschen Gouvernement nicht mehr herauskommt, und in Lublin wollte man auch nicht bleiben. „Es war alles fremd für uns. Die ganze Gegend, die ganzen Menschen, alles“. Also hat man beschlossen nach Krakau zu ziehen, denn zurück nach Bielic konnten sie nicht kehren, weil die Stadt in das Deutsche Reich eingegliedert wurde. Da man aber in Krakau inzwischen ein Ghetto eingerichtet hat, ist die Familie dort nur ein Monat oder zwei geblieben und ist wieder einmal umgezogen. In eine kleine Stadt hinter Krakau, die Kalwaria hieß. Dort hatte die Mutter Verwandte und dort sind sie geblieben.
„Und da hat angefangen, das Ganze wie Aussiedlungen, die Arbeitslager und so weiter…“

Und da hat es angefangen damit, dass die Deutschen Salo zusammen mit seinem Bruder Anfang 1941 auf der Straße geschnappt haben. Man hat schon damals auf dem rechten Arm die Binden mit dem Magen David tragen müssen, so waren die beiden Jugendlichen als Juden zu erkennen. Man hat sie einfach auf ein Auto und dann in ein Wagon mit ca. 20-30 Leuten verfrachtet und in ein kleines Lager, auf der Strecke zwischen Tarnow und Jelic, gebracht. In diesem Lager, das neben der SS auch von der Wehrmacht betreut wurde, befanden sich paar Hundert Menschen. Das Lager war geheim, dort hat man die Munition noch von der polnischen Armee aufbewahrt. Salomon wurde dort als Büroläufer eingespannt. Und eines Tages musste er mit jemandem zusammen Lebensmittel für die Wehrmacht aus einer größeren nahe gelegenen Stadt holen. Salo wählte seinen Bruder für diese Aufgabe und als sie dann auf der Ladefläche des offenen Lastwagens saßen, haben sie blitzschnell kapiert, dass sie jetzt fliehen konnten, wenn sie abspringen. So haben sie es auch gemacht.
Später erfuhren sie, dass eine Woche später, als der Krieg mit Russland begonnen hat,alle Insassen des Lagers auf einen Todesmarsch geschickt und unterwegs erschossen wurden, weil die Wehrmacht weiter an die Front ziehen musste. Salomon und sein Bruder haben Glück gehabt.

Zu Fuß sind sie nach Kolwaria gewandert. Zu Hause angekommen, mussten sie feststellen, dass der kleinste Bruder auf der Straße überfahren wurde.
Ende 1941/Anfang 42 musste jede Familie junge Burschen zur Verfügung stellen, die dann im Lager, in Krakau zur Arbeit geschickt wurden. Eigentlich hat die Familie Salos ältesten Bruder ausgewählt, aber Salomon ergriff die Initiative und überredete im letzten Moment den SS-Mann sich selbst gegen seinen Bruder einzutauschen. Denn er wusste, er ist besser für harte Arbeit geeignet als der Bruder. Dies erwies sich als ein glücklicher Zufall im Unglück. Die gesamte Familie wurde später in das KZ Belzec deportiert und vergast. So ist Salomon auf Kosten seiner Brüder am Leben geblieben.
Im Arbeitslager Plaszov in Krakau war Herr Wolf in der Instandsetzungswerkstatt tätig. Seine Aufgabe bestand darin, im bereits fast liquidierten Ghetto nach Wertgegenständen zu suchen, antike Möbel, Schmuck, Ringe, Goldzähne etc. Dies wurde dann instand gesetzt und ins Reich gesendet. Es war eine gute Stelle – das Instandsetzungskommando wurde nicht ausgesiedelt, sie sind bis zur vollständigen Liquidierung des Ghettos geblieben. Danach wurden auch diese Menschen in das KZ Plaszov gebracht, wo der berühmt berüchtigte Obersturmmann Göth am Werke war. Dort haben sie drei Tage verbracht, bis die Nazis auch die Kranken, Alten und Kinder liquidiert haben. Nach diesen drei Tagen, es war März 1943, wurde das Kommando wieder ins Ghetto geschickt, um noch mal den letzten Rest an Wertgegenständen aufzusammeln.
Herr Wolf ging automatisch zu dem Haus, in dem sein Onkel gewohnt hat. Er kam in eines der Zimmer hinein und sah sie. Ein sechsjähriges Mädchen mit aufgerissenen Augen starrte ihn angsterfüllt an und gab kein Ton von sich. Da bemerkte der junge Mann die Wunde an ihrem Hals. Ein SS-Mann hat es ihr angetan, doch die Kugel ist glatt durchgegangen. Das Kind konnte nicht sprechen. Als erstes packte er das Mädchen in ein Wäschekorb und beförderte sie nach draußen. Nachdem er einen Arzt aus deiner Truppe in das Geheimnis eingeweiht hat, haben sie gemeinsam die Wunder mit heißem Wasser zu versorgen. Aber die Frage war: Was nun? Salomon kannte die Eltern des Mädchens und wusste, dass ihr Vater zusammen mit ihm im Lager ist. Man musste sie zu ihren Eltern bringen. So einfach war das nicht. Die ukrainischen Aufseher haben das Kommando bei der Rückkehr ins Lager streng auf Lebensmittel oder Ähnliches kontrolliert, sie wurden auch gezählt. Nach ein paar Tagen, als das Kind wieder etwas zu Kräften gekommen ist, hatten sie einen naiven Plan gefasst, der jedoch glücken sollte. Herr Wolf zog einen langen Mantel an und versteckte das Mädchen darunter. Es musste Glück gewesen sein, dass die kleinen Füßchen unter der Bekleidung den Aufsehern nicht aufgefallen sind. Der Vater des Mädchens brachte sie später ins Frauenlager, zu ihrer Mutter.

Doch leider war die Mühe umsonst. Dem grausamen Göth ist zu Ohren gekommen, dass es Kinder im Frauenlager gab. Sowohl das Mädchen als auch ihre Mutter hat das schreckliche Schicksal der Vergasung ereilt.
Im September 1944 wurde Salomon Wolf mit einem Transport von KZ Plaszov nach Mauthausen, Österreich, überführt, weil man das Lager in Krakau auch zu liquidieren angefangen hat.
In Mauthausen, um genau zu sein in Gusen II- einem Vernichtungslager, musste Salo schwerste körperliche Arbeit in einem Steinbruch verrichten, bis er schließlich aufgrund einer Verletzung arbeitsunfähig wurde. Erst kam er ins Lazarett, aber als er dann wieder bei der Arbeit war, ist er eines Tages in Ohnmacht gefallen. Noch mal wollte er nicht auf die Krankenstation gehen, denn von da würde er gleich ins Jenseits befördert. Doch durch seinen Zusammenbruch bei der Arbeit wurde er zu einem Muselmann (Halbtoter).
„Und dann ist da was Komisches passiert.“ Man hat in der Früh alle Muselmänner zum Liquidieren in einem Waschraum versammelt. In Gusen II hatte man eine eigene Methode für das Töten entwickelt, da sich der Verbrennungsofen in Gusen I befand. Erst musste man sich bücken, dann bekam man einen Schlag auf den Kopf und zwei Gehilfen haben dann den Kopf fünf Minuten lang unters Wasser gehalten. Die Leichen wurden dann in das Lager Gusen I zum Verbrennen hingebracht.

Und da steht Herr Wolf auch in der Schlange, seine Nummer bereits in Akte notiert, und wartet auf seinen Schlag, als plötzlich sein Blockältester auftaucht. Nach einer kurzen Unterredung mit dem SS-Mann ist es ihm gelungen den jungen Mann gegen einen anderen, vielleicht auch bereits toten, Muselmann einzutauschen. Der Blockälteste wusste, dass der Krieg schon bald vorbei sein wird, und wollte den Jungen retten. So ist Salomon wieder einmal dem Tod entkommen.

Ende April 1945 hat man alle Insassen des KZs zurück nach Mauthausen geführt, und ein paar Tage später alle auf einen Todesmarsch geschickt. Jeder hat am Ausgang ein wenig Verpflegungsmaterial bekommen, wie ein Stückchen Brot oder Margarine. Von Mauthausen sind sie bis nach Wels 4-5 Tage lang marschiert, bis sie in Gunskirchen angekommen sind. Ein kleiner Lager, vielleicht ein paar Baracken und dort waren sie noch wenige Tage bis zur Befreiung geblieben.

Nach dem Krieg ist Salomon Wolf in die USA emigriert. Jahre später ist er zurück nach Europa gekommen, um seine Wiedergutmachung zu erhalten. Und wie das Schicksal es wollte, lernte er hier, in München, seine Frau kennen und blieb auch in Europa.